Englische Literatur

Englische Literatur

Englische Literatur. 1) Poesie. Die E. L. im eigentlichen Sinne beginnt mit der Zeit, wo die gegenseitige Durchdringung der angelsächs. und normann. Sprachelemente zu einer einheitlichen Sprache vollendet ist (s. Angelsächsische Sprache und Literatur), gegen Mitte des 13. Jahrh.; gepflegt wurden nun geschichtliche und geistliche Dichtung, Legende und Rittergedicht. Die Dichtungen Will. Langlands (1332-1400), John Gowers (1325- 1408), John Barbours (gest. 1395), des ältesten schott. Nationaldichters, und bes. Chaucers (gest. 1400), des »Vaters der engl. Poesie« (»Canterbury-Geschichten«), bezeichnen die Blüte der altengl. Literatur. Seine Nachahmer Thomas Occleve (gest. 1454) und John Lydgate (gest. 1461) reichen an ihn nicht heran. Erst durch Thomas Sackville (1536-608) und Sir Philipp Sidney (1554-86), der den Schäferroman nach England verpflanzte, wurde eine neue Richtung angebahnt, die in der Elisabethanischen Epoche, dem »goldenen Zeitalter« der Literatur, auf dem Gebiete der Lyrik und Epik ihren Höhepunkt in Spenser (geb. 1599; »Fairy Queen«) erreichte, neben dem Mich. Drayton, Sir Walter Raleigh, der Volksdichter John Taylor, die Satiriker John Donne und Joseph Hall und zahlreiche andere zu nennen sind. Doch bildet den Glanzpunkt dieser Epoche das Drama; es hatte im 11. Jahrh. mit geistl. Mirakelspielen begonnen, aus denen sich im 15. Jahrh. die allegorischen Moralitäten (Moral plays) und John Heywoods (gest. 1565) zur Komödie hinüberleitenden derb-humoristischen »Interludes« entwickelten. Als älteste engl. Komödie gilt »Ralph Royster Doyster« von Nicholas Udall (gest. 1557), als erste regelrechte Tragödie »Gorboduc or Ferrex and Porrex« (1562) von Thom. Sackville und Thom. Norton. Die Begünstigung theatralischer Vorstellungen durch Elisabeth rief zahlreiche Bühnendichter hervor: John Lyly, Peele, Thom. Kyd, Thom. Lodge, Rob. Greene, Thom. Nash, Christ. Marlowe (»Dr. Faustus«) u.a., die alle durch Shakespeare (1564-1616), den größten modernen Dramatiker überhaupt, weit überragt wurden. Unter Shakespeares Nachfolgern ragen hervor: Chapman (1557-1634), Thom. Heywood, Ben Jonson (1573-1637), Beaumont und Fletcher, Massinger, Shirley (1596-1666). Der Bürgerkrieg und der kunstfeindliche Puritanismus lähmten die Dichtung längere Zeit; doch fand letzterer in Milton (1608-74; »Verlorenes Paradies«) einen klassischen Vertreter, während die sog. Cavalier-poets in Samuel Butlers (gest. 1680) »Hudibras« ihren typischen Ausdruck fanden. Mit der Restauration der Stuarts begann durch Dryden (gest. 1700) eine neue poet. Richtung, die, unter franz. Einfluß nach möglichster Korrektheit und Glätte strebend, ihren Höhepunkt in Pope (gest. 1744; »Lockenraub«, komisches Epos) erreichte; ihm zur Seite standen der Fabeldichter Gay, der Naturmaler Thomson (gest. 1748; »Jahreszeiten«), der religiöse Young (gest. 1765; »Nachtgedanken«), während das durch Davenant (gest. 1668) begründete höfische Drama, nachdem Otway (gest. 1685; »Venice preserved«) vergebens versucht hatte, es in bessere Bahnen zu lenken, Vertreter fand in dem in den steifen Formen der franz. Schule sich bewegenden AddisonCato«, 1717), in dem Nachahmer der antiken Tragödie Nicholas Rowe (1673-1718), in G. Lillo (1693-1739) mit seinen bürgerlichen Trauerspielen, die (Sitten-)Komödie insbes. in Wycherley (1640-1715), Congreve (1672-1728), Farquhar (1678-1707), Vanbrugh (1666-1726). Um die Mitte des 18. Jahrh. blühten der sententiöse Johnson, der elegische Gray, der Lehrdichter Akenside u.a., etwas später der Lustspieldichter Sheridan (gest. 1816; »The school for scandal«). Mit dem Erscheinen von Percys Balladensammlung und Macphersons »Ossian« trat eine zur Natürlichkeit zurücklenkende Reaktion gegen den franz. Geschmack ein, als deren erster Vertreter Cowper (1731-1800) anzusehen ist, neben ihm der Schotte Rob. Burns (gest. 1796); mit dem Beginn des 19. Jahrh. stand die neue poet. Schule in voller Blüte, deren berühmteste Namen sind: ByronChilde Harold«, »Don Juan«, »Manfred«), der größte moderne Dichtergenius der Engländer, Shelley, Thom. MooreLalla Rookh«), Walter Scott (»The Lady of the Lake«), Campbell, die Mitglieder der den Naturkultus pflegenden sog. »Seeschule«: Wordsworth, Coleridge, Southey und Wilson. Derselben und der unmittelbar anschließenden Periode gehören an: George Crabbe, Sam. Rogers, Leigh Hunt, Thom. Hood, Thom. Bayly, Landor, die Dichterinnen Elizabeth Landon, Felicia Hemans, die Dramatiker Milman, Knowles, Henry Taylor, Joanna Baillie, Talfourd, Bulwer, Browning, Bailey, M. Field. Der berühmteste Dichter der Neuzeit ist Tennyson, neben ihm, wegen seiner genialen Originalität bewundert, Browning; Tennysons Nachfolger als poet laureate wurde A. Austin; bedeutender ist der ebenfalls patriotische Kipling. Hauptvertreter einer in Bruch mit den bisher anerkannten Kunstnormen gebildeten neuen Schule, der sog. präraffaelischen, sind: John Ruskin, Swinburne, Will. Morris und Rossetti. Als Dramatiker sind Pinero, Shaw und O. Wilde hervorzuheben.

2) Prosa. Die später entwickelte engl. Prosa hat ihre ersten Vertreter in John Mandeville (gest. nach 1371) und dem Kirchenreformator Wicliffe (gest. 1384), förderlich wirkte die Bibelübersetzung (seit 1526) ein. Der durch Sidney (um 1580) eingeführte Schäferstil wurde wieder gebessert durch die philos. Schriftsteller Bacon, Hobbes, Browne und die Historiker Raleigh, Milton, Clarendon; von wichtigstem Einfluß waren zu Anfang des 18. Jahrh. die von Addison und Steele ins Leben gerufenen Wochenschriften »Tatler« (1709), »Spectator« (1711), »Guardian« (1713). Den Reiseroman schuf DefoeRobinson Crusoe«, 1719), den Familienroman Richardson (1689-1761; »Pamela«, »Clarissa«), die satir. Prosa ist vertreten durch Swift (1667-1745; »Gullivers Reisen«), der komische Roman durch Fielding (1707-54) und Smollet (1721-71), der humoristische durch Sterne (1713-68; »Tristram Shandy«, »The Sentimental Journey«) und Goldsmith (1728-74; »Vicar of Wakefield«). In zweiter Reihe stehen: Mackenzie, Godwin, Horace Walpole, Radcliffe u.a. Die außerordentlichste Pflege fand der Roman im 19. Jahrh. An Walter Scott (1771-1832), der den histor. Roman begründete, schlossen sich bes. an James und Ainsworth, an den großen Humoristen Dickens (1812-70) der Realist Thackeray, ferner Reade, Trollope, Martineau, Barrie und R. Kipling; den archäol. Roman pflegte Kingsley, den Seeroman Marryat und C. Russel, den psychol. Roman Bulwer, Currer Bell (Bronté), H. Ward und bes. George Eliot (Evans), den Sensationsroman neuerdings mit großem Erfolge Wilkie Collins, Miß Braddon und Ouida (de la Ramée); vereinzelt steht Disraeli mit seinen aristokratisch-sozialen Zeitromanen; ferner sind zu nennen: Rider Haggard, Blackmore, Besant, Meredith, Zangwill, Marie Corelli, Jerome Jerome, Buchan Hardy, Hall Caine, G. Moore. – Auf dem Gebiete der Geschichtschreibung zeichnen sich nach den Anfängen Raleighs (gest. 1618) und Clarendons (gest. 1674) schon im 18. Jahrh. Hume, Robertson, Gibbon aus, im 19. Jahrh. vor allen Macaulay, ferner Hallam, Buckle, Lecky, J. A. Froude, Carlyle, Grote, neuerdings MacCarthy, Freeman, Green; bes. reichhaltig ist das Fach der Biographie vertreten, für welches Boswells »Leben Johnsons« (1791) epochemachend wurde. Muster des Briefstils bieten: Lady Montague, Chesterfield und Junius, der polit. Beredsamkeit: Lord Chatham, Will. Pitt, Burke, Fox. Über die Englische Philosophie s.d. Die Volkswirtschaftslehre wurde durch Adam Smith, Ricardo, Malthus, James Mill und John Stuart Mill ausgebildet. Als Naturforscher von allgemeiner Bedeutung sind hier Lyell, Darwin, Wallace, Huxley, Tyndall, Lubbock u.a. zu nennen. Wichtig ist auch die sehr umfangreiche wissenschaftliche Reise- und Touristenliteratur (Livingstone, Baker, Burton, Stanley u.a.)

Vgl. Taine (deutsch 1878-80), Ten Brink (2. Aufl. 1899 fg.), Wülker (1896), Engel (6. Aufl. 1905), Courthorpe (Bd. 1-4, 1895-1903), Chambers (3 Bde., 1904), Garnett und Gosse (4 Bde., 1904); für einzelne Zeiträume: Warton (11. bis 16. Jahrh.; neue Ausg., Lond. 1871), Hettner (1660-1770; 5. Aufl. 1894), Saintsbury (Elisabethanische Zeit, Lond. 1887; 19. Jahrh., ebd. 1896), Oliphant (19. Jahrh.; ebd. 1892).


http://www.zeno.org/Brockhaus-1911. 1911.

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